STDs - Geschlechtskrankheiten und jene, die so tun als ob
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Kaum ein Thema ist beim Sex tabuisierter: Geschlechtskrankheiten hat man nicht. Ausser man bewegt sich im «Milieu». Es stimmt: In der homosexuellen Szene oder bei Prostituierten ist das Risiko, sich mit einer STD (engl. «sexually transmitted disease», sexuell übertragbare Krankheit) anzustecken, teils deutlich höher. Die Höhe der Wahrscheinlichkeit interessiert jedoch herzlich wenig, wenn man sich dann wirklich was eingefangen hat. Warum haben wir so ein Problem mit Geschlechtskrankheiten? Sie sind so «normal» wie andere Krankheiten auch. Dass wir heute im Leben mehr Sexualpartner*innen haben als früher, sollte eigentlich zu einer Enttabuisierung geführt haben. Vielleicht hilft ja dieser Text ein wenig, dass dieses Thema künftig weniger Angst und Scham auslöst.
Was machen wir also als Erstes, wenn die Muschi oder der Penis plötzlich juckt, brennt oder rot gesprenkelt ist? Erstens: Cool bleiben. Lang nicht jedes Jucken oder Brennen oder jeder Ausschlag ist eine Geschlechtskrankheit. Es kann auch was ganz anderes sein. Dazu gleich mehr.
Schauen wir uns mal an, was alles zwischen den Beinen juckt – oder eben nicht...
Die Ultrabösen
Wer hässliche Bilder sehen will, googelt Namen wie Syphilis oder Aids. Es sind Krankheiten, die häufig schon nach mehreren Tagen spürbar sind. Das Gute an ihnen: Sie sind alle mit Medikamenten behandelbar. Das Schlechte: Bei einigen Krankheiten könnte sich das bald ändern. Gegen sogenannte «multiresistente Erreger» helfen die bisherigen Medikamente und Antibiotika nicht mehr zuverlässig. Wer häufig Antibiotika nehmen muss, weil er sich mit STDs oder anderen Krankheiten angesteckt hat, hat zudem ein bedeutend grösseres Risiko, dass Antibiotika-Medikamente nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wirken.
Die Unsichtbaren
Genau so übel wie die «Ultrabösen» sind die unsichtbaren Geschlechtskrankheiten, also jene ohne sichtbare und manchmal auch ohne spürbare Symptone. Eben weil sie sich im Körper einnisten können, ohne dass man etwas bemerkt. Humane Papillomaviren (HPV) zum Beispiel, verheilen meist nach einigen Monaten und hinterlassen – wenn überhaupt – «nur» Hautveränderungen wie Feigwarzen. Ein ästhetisches Problem, das sich teilweise chirurgisch lösen lässt. Problematischer bei HPV: die herzig tönenden Papillomaviren können in seltenen Fällen Gebärmutterhalskrebs auslösen. Etwa 70 bis 80 Prozent aller sexuell aktiven Menschen infizieren sich während ihrer sexuell aktiven Phase einmal mit einem HP-Virus. Bei den Chlamydien sind es – offiziell – zwischen 3 und 10 Prozent. Gegen den HP-Virus gibt es übrigens eine Impfung. Ebenfalls gegen Hepathithis B.
Auch stark verbreitet sind wie erwähnt die Chlamydien. Häufig symptomlos, können sie bei Frauen im schlimmsten Fall zu Unfruchtbarkeit führen. In der Schweiz steckten sich im Jahr 2017 von100’000 Personen 130, also 0,13 % der Bevölkerung mit Chlamydien an, eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten. Tripper (Gonorrhoe) kann ebenfalls symptomlos ablaufen. Im Normalfall gehört Tripper jedoch zu den «ultrabösen» STDs, da es bald nach Ansteckung zu Symptomen wie einem übel riechenden Ausfluss aus Penis oder Muschi kommt.
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Die Unbekannten
Was gerne vergessen geht: Juckende Ausschläge am Penis und Vulva können ganz andere Ursachen als STDs haben. Unsere Geschlechtsorgane haben Schleimhautflächen. Ergo sind Hautausschläge auch auf Schwanz und Muschi möglich. Zum Beispiel steigt das Risiko von Hautaussschlägen bei parfümierten Duschgels (siehe auch Kapitel «Hygiene»). Es lohnt sich, den Schwanz grundsätzlich nur am Schaft einzuseifen. Nicht die Eichel. Und bei Frauen nicht die Glippen. Ansonsten gut mit Wasser abspülen. Als Alternative gibt es hautverträgliche Intimlotions und spezielle Duschgels.
Ebenso können Hautpilze Ausschläge auslösen. Sie mögen feuchtwarme Umgebung und es braucht daher wirklich extrem wenig, dass eine Muschi oder ein – vor allem – unbeschnittener Schwanz von einem juckenden und oft rote Pünktchen hinterlassender Pilz besucht wird.
Alles. Ganz. Normal.
Dagegen helfen vom Urologen oder der Gynäkologin verschriebene antimykotische Salben.
Doch ein Ausschlag am Penis oder an der Vulva kann auch noch einen ganz anderen Grund haben: Lebensmittelallergie. So gehen beim Mann Nervenbahnen von der Prostata bis tief in den Schwanz hinein. Zum Beispiel kann der Konsum von Zitrusfrüchten zu einer Reizung der Protata führen, die dann im Penis ein starkes Jucken auslöst. Auch Sex kann die Prostata reizen. Das Gefühl ähnelt einer Blasenentzündung. Wenn entzündungshemmende Medikamente über mehrere Tage nicht helfen, kann der Urologe spezielle Prostata-Medikamente verschreiben. Diese senken allerdings häufig die sexuelle Energie.
Weiter gibt es Autoimmunkrankheiten wie der Lichen sclerosus, der bei Frauen die Muschi jucken und brennen lässt. Juckreizungen im Penis oder der Vagina können auch von einer gereizten oder entzündeten Blase ausgelöst werden. Last, but not least: Auch mangelnde Hygiene kann ein Grund sein für Ausschlag (siehe Kapitel «Hygiene»)
Gerne gehen sie vergessen, da sie nicht die Geschlechtsteile betreffen:
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Die Kusskrankheiten
Das perfide an Lippenherpes und Aften in der Mundhöhle: Sie kommen gerne beim Küssen. Leider auch sonst immer mal wieder, wenn das Immunsystem angeschlagen ist. Das Gute: Ein gesundes Immunsystem bringt die viralen Quälgeister meist schnell zum verschwinden. Die kombinierte Einnahme von Vitamin C, Zink und Selen (am besten als Dosis, die sich langsam über den Tag abbaut) kann Wunder wirken. Am besten schon vor dem Küssen eine Ladung einnehmen, danach je nach Bedürfnis weitere Tage. Bei akuten Aften im Mund lindert Teebaumöl den Schmerz und unterstützt den Heilprozess. Einfach ein paar Tropfen Teebaumöl in einem Glas Wasser aufgelöst sanft gurgeln oder Teebaumgel (jenes, das auch geschluckt werden darf) auf die Aften auftragen. Bei Lippenherpes hilft oft nur das Austrocknen der Stellen. Also dort kein Lippenbalm oder sonstige Cremes auftragen. Auch hier muss man sich nicht schämen: Über die Hälfte der Bevölkerung trägt mindestens eines der acht für den Menschen infektiösen Herpesviren in sich.
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Fazit 1: Alles ist möglich
Wenn es zwischen den Beinen juckt oder brennt oder ausschlägt, kann das sehr, sehr viel verschiedene Ursachen haben. Abwarten und bitteren Bärentraubenblättertee trinken (hilft bei Blasenentzündungen). Wenn die Symptome auch nach ein paar Tagen nicht abklingen oder nicht zum Aushalten sind, gehts natürlich sofort zum Urologen oder zur Gynäkologin. Wichtig: In dieser Zeit brauchen unsere Geschlechtsteile Ruhe. Die (Schleim-) Haut muss sich erholen können. Reibung, sei es durch Handarbeit oder (natürlich geschützten) Sex, zieht den Heilungsprozess in die Länge.
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Fazit 2: STDs werden wieder unberechenbarer
Das grösste Problem von sexuell übertragbaren Krankheiten sind – jedenfalls zurzeit – nicht ihre Symptome. Viele STDs werden mit Antibiotika behandelt. Doch weil wir heute zu häufig Antibiotika benutzen, werden die STD-Bakterien gegenüber immer mehr sogenannten Antibiotika-Stämmen resistent. Diese «Stämme» wirken dann gar nicht mehr oder nur noch wenig. Wer sich regelmässig gegen STDs behandeln lassen muss, hat deshalb ein viel grösseres Risiko, dass die Medikamente nicht mehr richtig wirken. STDs sind zurzeit nicht tödlich. Das verleitet dazu, sie nicht Ernst zu nehmen. Doch das Problem mit der Antibiotika-Resistenz wird grösser und unberechenbarer. Gerade jene, die sich wiederholt mit einer STD anstecken, sind besonders gefährdet.
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Was wir tun könnten
Sexuell aktive Menschen sollten sich viel mehr testen lassen. Auch langjährige Paare ab und zu. Man stelle sich vor, wenn es ganz normal würde, sich mindestens einmal jährlich auf STDs zu testen. Es einfach zum guten Ton gehört. Wie wenn man zum Zahnarzt in die jährliche Dentalkontrolle geht. Wenn STD-Tests einfach zugänglich und günstig wären wie während der Pandemie die Coronatests. Wenn wir zum Beispiel in der sex-ten (6.) Woche Mitte Februar jedes Jahr landesweit wie wild testen würden.
Wie stark sich eine solch konzentrierte Aktion auf die Infektionszahlen und die Volksgesundheit auswirken würde, ist unklar. Man müsste es einfach mal ein paar Jahre ausprobieren. Austesten, quasi…
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